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„Ja, man sieht sich“, antwortete Fiete erleichtert und überlegte, ob er ihn nicht doch bald mal zu sich nach Hause einladen sollte. Fridolin war eigentlich ganz in Ordnung. Wer hätte das gedacht, wunderte er sich und schwamm zum ersten Mal seit Wochen mit einem guten Gefühl in seine Klasse. Vielleicht hatte er ja einen neuen Freund gewonnen. Mal sehen, dachte Fiete. Als der Unterricht einige Wellen später zu Ende war, schwamm Fiete wie immer als Letzter aus der Schule. Denn er hoffte, dann alleine zu sein und seine Ruhe zu haben. Aber leider klappte das fast nie. Auch diesmal alberten die anderen immer noch vor der Schule herum… Als sie ihn sahen, ging alles sofort wieder von vorne los. Er spürte, wie sich seine Flossen sofort verkrampften.

„Sag mal, hast du auch im Kopf ein Loch?“, rief ihm einer der Fische zu, und alle um ihn herum lachten, „komm schon, zeig mal her!“

Fiete wusste nicht, was er machen sollte – denn schwamm er weiter, verfolgten sie ihn. Blieb er dort, war es auch nicht besser. Egal, was er machte, er entkam ihnen nicht.

„Machst du jetzt eigentlich in jede Flosse ein Loch, Lochfisch? Ist das normal bei dir zu Hause?“, rief ein anderer, und wieder lachten alle laut mit.

Fiete beschloss, einfach weiterzuschwimmen. Aber viele der anderen begleiteten und beschimpften ihn dabei ohne Unterbrechung. Irgendwann bildeten sie sogar einen Chor, der unentwegt „Hier kommt der Lochfisch, Lochfisch, Lochfisch. Hier kommt der Lochfisch, Lochfisch, Lochfisch…“ rief. Sie brüllten so laut, dass sich all die vielen Fische, Quallen, Schildkröten, Krebse und Seepferdchen, an denen sie vorbeikamen, zu ihm umdrehten und ihn anstarrten. Fiete war zum Heulen zumute. Heute war es besonders schlimm.

„Warum lasst ihr ihn nicht einfach in Ruhe? Er hat euch doch gar nichts getan!“, hörte er plötzlich eine Stimme laut rufen.

Wenn die anderen ihn mobbten, versuchte Fiete, zu überhören, was sie ihm so zuriefen. Erst als er merkte, dass er diese Stimme ja kannte, stutzte er. Fiete blickte sich um und ließ seine Flossen ruhen. Er konnte es kaum glauben. Tatsächlich, es war Fridolin. Er hatte es mit seinen kleinen Flossen irgendwie geschafft, Fiete und dem unerwünschten Tross nachzuschwimmen, obwohl der es auf dem Nachhauseweg immer extra eilig hatte, um ihn so schnell wie nur möglich hinter sich zu bringen. Fiete merkte, dass auch die anderen Fridolin völlig verdutzt anblickten. Das war ja mal ganz was Neues. Ohneflosse verteidigte Lochfisch. Einige Flossenschläge lang waren alle Mobber so baff, dass niemand etwas sagte. Aber noch bevor sich jemand einen neuen, noch gemeineren Spruch ausdenken konnte, den die anderen dann nachplapperten, schwamm auch Einaug-Fischchen auf die gemeine Meute zu. Fiete wunderte sich wieder. Wo kam die denn plötzlich her?

„Nur weil er jetzt ein Loch in der Flosse hat, ist er doch nicht plötzlich anders als ihr. Lasst ihn doch einfach in Ruhe!“, rief sie der Meute rund um Fiete herum laut zu.

Fiete wusste nur zu gut, dass auch sie wegen der Sache mit ihrem Auge lange gemobbt worden war. Schließlich hatte er selbst mitgemacht. Jetzt schämte er sich zutiefst dafür. Da sie schon älter war und es unter den jungen Fischen immer wieder neue Mobbingopfer gab, hatte man sie irgendwann verschont. Trotzdem war sie aber immer Außenseiterin geblieben. Auch Fiete musste sich eingestehen, noch nie ein Wort mit ihr gesprochen zu haben, er kannte noch nicht einmal ihren wirklichen Namen. Warum, das wusste er nicht. Das war halt so. Besser gesagt, das war halt so gewesen – früher.

Denn jetzt wollte er mit ihr reden. Die Fische um ihn herum waren beeindruckt von ihr. Keiner wollte sich mit ihr anlegen. Einaug-Fischchen war in ihrer Klasse sehr beliebt, eine exzellente Schülerin, ohne aber eine Streberin zu sein, und eine recht passable Schwimmerin. Dass Lochfisch jetzt plötzlich Freunde hatte, die sich ihnen entgegenstellten, nahm den anderen die Wellen aus ihren Flossen... Langsam löste sich die Mobbermeute auf. Während Einaug-Fischchen sich nicht von der Stelle rührte und ihnen zufrieden nachblickte, schwammen Fridolin und Fiete zu ihr hin.

„Das war…“

Fiete fehlten die Worte. Er war überglücklich und konnte kaum glauben, was gerade geschehen war. Er hatte geglaubt, alleine zu sein, doch plötzlich hatte er neue Freunde gefunden, die ihn verteidigten.

„Das war wirklich sehr nett von euch. Großen Dank, Fridolin, und großen Dank…“ – Fiete wusste nicht, wie er sich bei ihr bedanken sollte, denn er kannte ja ihren Namen nicht.

Einaug-Fischchen verstand sofort.

„Ich heiße Faralda – aber meine Freunde nennen mich Fiore.“

Fiete räusperte sich kurz. Aha, ein besonderer Name für ein wirklich besonderes Fischchen.

„Hallo Faralda, ähm Fiore. Danke für deine Hilfe. Ich bin…“

„Ich weiß, wie sich das anfühlt“, fiel sie ihm ins Wort, ohne das Ende seiner Antwort abzuwarten, „ich habe das ja lange genug erlebt. Schwimmt ihr auch hier lang?“, fragte sie.

Mit ihrer linken Seitenflosse deutete sie in eine Richtung, die für Fiete eigentlich einen Umweg bedeutete. Aber egal, dachte er sich. Er hatte jetzt zwei neue Freunde. Und nette Gesellschaft konnte er in dieser schwierigen Zeit gut gebrauchen.

„Klar!“, meinte Fiete, ohne Fridolin zu fragen – dem es aber egal war.

© 2025 R. Underwood. Alle Rechte vorbehalten

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