Deshalb kam Finns Antwort blitzschnell in einem halben Flossenschlag. „Ja, sehr gerne. Großen Dank, Fiete“, rief Finn erleichtert.
„Passt schon. Du musst dich nicht immer bedanken“, murmelte Fiete. „Wir waren ja alle einmal jung, unerfahren und weit von zu Hause weg.“
„Danke“, sagte Finn und schob gleich eine Frage nach. „Gehst du schon zur Schule?“, wollte er wissen.
„Du bist ganz schön neugierig“, bemerkte Fiete mit einem Schmunzeln.
Finn schwieg beschämt. Er mochte es nicht, wenn er unhöflich war. Seine Mama hatte ihn schon oft ermahnt. Er frage anderen regelrecht Löcher in die Flossen. Finn gelobte sich Besserung. Irgendwann.
„Aber um auf deine Frage zu antworten: Ja, ich gehe schon zur Schule. Hab mir aber freigenommen. Hatte heute eine Prüfung, du verstehst“, sagte Fiete und zwinkerte ihm zu.
Finn nickte eifrig. Er hatte zwar nichts verstanden, aber wer gab das schon gerne zu? „Versteh schon“, murmelte er trotzdem.
Eine Weile schwammen sie schweigend gemächlich nebeneinander her. Finn wusste nicht, wie er mit Fiete ins Gespräch kommen konnte, ohne wieder neugierig zu sein. Schließlich fiel ihm eine unverfängliche Frage ein. „Kennst du meinen Bruder Frikke?“
Fiete überlegte. „Ich glaube, nur vom Sehen. Der geht auf eine andere Schule. Aber es kann sein, dass ich schon mal Perlenball gegen ihn gespielt hab.“
„Perlenball?“ Der Ton von Finns Stimme verriet sofort, dass er noch nie davon gehört hatte. Einen Flossenschlag lang blickte Finn Fiete ratlos an.
Es war ihm einfach herausgeflutscht. In diesem Moment hätte er sich vor lauter Ärger über sich selbst in seine kleinen Flossen beißen können. Nie in seinem ganzen Leben hätte er freiwillig zugegeben – noch nie von Perlenball gehört zu haben.
„Du kennst das Spiel nicht?“, fragte Fiete ihn verwundert.
Finn schämte sich ein wenig. Aber er wollte seinen neuen Freund und Zweimalretter nicht anlügen. „Nein, ich darf eigentlich gar nicht aus meiner Höhle raus. Mama und Papa meinen, es ist zu gefährlich für mich alleine hier draußen.“
„Verstehe. Dachte ich mir schon. Wenn du willst, kann ich dir mal zeigen, wie man Perlenball spielt“, sagte Fiete.
„Wirklich?“ Finn strahlte und wedelte aufgeregt mit seiner Bauchflosse.
„Klar. Jeder fängt schließlich mal an“, antwortete der Rettungsfisch mit dem großen Maul, das er mittlerweile wieder irgendwie versteckt hatte.
Finn war überglücklich. Dann aber fiel ihm ein, dass er ja seine Höhle gar nicht verlassen durfte. „Das wäre schon toll. Aber ich darf ja gar nicht von zu Hause weg“, murmelte er niedergeschlagen. „Bin nämlich noch zu klein. Sagen zumindest meine Eltern.“
„Na, dann hast aber Glück gehabt“, antwortete Fiete. „Nur ein paar Flossenlängen von deiner Höhle entfernt ist ein guter Perlenballplatz. Da hab ich früher oft gespielt.“
„Wirklich?“ – Mit einem Mal war Finn der glücklichste Fisch im ganzen Ozean. „Ich würde sehr gerne lernen, wie man Perlenball spielt“, bekräftigte Finn mit dem überzeugendsten Flossenschlag, den er draufhatte.
„Gut“, sagte Fiete. „Dann komm ich demnächst bald mal bei euch vorbei“, versprach er und
blieb stehen.
„So – da vorne ist der rote, runde Felsen. Da drüben ist deine Höhle. – Alles klar ab hier?“
Finn blickte sich um. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie schon angekommen waren. Weit geschwommen waren sie ja nicht. Aber tatsächlich – dort war das gelbe Seegras, und da drüben sah er die großen, langen Blaualgen.
„Ja, hier wohne ich. Nochmals ein dickes Dankeschön, dass du auch mich da rausgebissen hast und mit mir dann auch noch den ganzen Heimweg geschwommen bist“, antwortete Finn.
„Das passt schon. Na denn, bis bald“, sagte Fiete.
„Ja! Bis bald“, antwortete Finn. Er war gerade erst losgeschwommen, als es aus ihm herausplatzte: „Darf ich dich noch etwas fragen?“
Fiete blieb stehen, drehte sich kurz um und schwamm dann gemächlich zu Finn zurück. „Dass du ganz schön neugierig bist, hat man dir schon mal gesagt, oder?“, meinte Fiete schmunzelnd.
Finn druckste ein wenig herum … Das mit den vielen Fragen und der Besserung, das musste er wohl wirklich sehr schnell irgendwie besser in den Griff bekommen. „Bitte entschuldige“, sagte Finn zerknirscht.
„Na, was willst denn wissen? Etwa, was für ein Fisch ich bin?“, fragte Fiete geduldig.
Verlegen bewegte Finn seine Rückenflosse hin und her, ohne auf die Frage direkt zu antworten.
Da Fiete unterhalb der linken Flosse ein lästiges Jucken spürte, das er dringend loswerden wollte, rieb er sich bedächtig am roten Felsen. Dabei hob er seine rechte Flosse leicht an und wedelte kräftig mit der linken, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. „So einen Fisch wie mich hast wohl noch nie gesehen. Oder?“, sagte er nicht ohne Stolz in seiner Stimme.
Finn schüttelte Rückenflosse und Bauchflosse zugleich. Er hatte keine Ahnung.
„Hatte ich mir schon gedacht. Von meiner Sorte gibt’s nicht viele. Ich bin eine Rarität“, betonte Fiete, ohne dabei aber überheblich zu wirken. „Ich bin ein Riesenmaulfischchen. Man sieht mir das große Maul zwar nicht an, es ist aber immer da, wenn ich es brauche. Viele haben Angst vor mir. Auch wegen meiner spitzen Zähne. Du etwa auch?“, wollte er von Finn wissen.
Aha. Ein Riesenmaulfischchen. Finn war erstaunt. Davon hatte er in seinem ganzen Leben noch nie gehört. Aber wenn Fiete ein Riesenmaul-Fischchen war, dann war er ein Kleinmaul-Fischchen. So viel stand fest.
„Angst? Ich? Vor dir? Nein! Warum denn? Du bist sehr nett und hilfsbereit. Die anderen Fische vorhin haben sich gar nicht bei dir bedankt. Aber das schien dir nichts auszumachen.“
Fiete machte mit der rechten Flosse, unter der es ihn mittlerweile nicht mehr juckte, eine abwehrende Bewegung. „Wie gesagt, ich hab’s ja für mich selbst gemacht. Dass dann auch die anderen Fische da rauskommen, war halt … na ja, einfach Zufall!“
Finn war seinem neuen Freund wirklich sehr dankbar. „Darf ich dich um einen allerletzten Gefallen bitten?“
„Worum geht’s denn?“, antwortete Fiete.
„Mama und Papa wissen nicht, was mir … was dir … ich meine … na ja, du weißt schon … was uns heute passiert ist.“ Finn wedelte nervös mit all seinen kleinen Flossen herum und wackelte dabei sogar etwas beim Schwimmen.
„Könntest du … na ja, du weißt schon … vielleicht, eventuell, gegebenenfalls – irgendwie, möglicherweise, allenfalls, unter Umständen, aber nur, wenn es keine allzu großen Umstände bereitet und dir keine Probleme macht – das alles für dich behalten? Oder so?“
