Das Ding da über ihm war ganz schön unansehnlich. Erst als es langsam näher kam und bei genauem Hinschauen bemerkte er, dass an zwei der vier großen und dicken Fangarme weitere kleine, sehr dünne Tentakel hingen. Finn zählte nach. Es waren mehr als vier, und das Wesen machte sich damit an den Korallen zu schaffen. Wahrscheinlich, um etwas Essbares zu finden, vermutete Finn. War es also vielleicht doch ein Krake, ein ganz seltsamer? Es war verwirrend. Auch blieb das eigenartige Ding immer schwarz. Die Oktopusse, die er kannte, wechselten ihre Farbe schneller, als er einen Flossenschlag denken konnte.
Auch die seltsamen Blasen, die aus dem Kopf kamen, hatte er noch nie gesehen. War das vielleicht ein Trick, um seine Beute zu erlegen? Finn wünschte sich, er wäre schon alt genug für die Schule. Dort lernte man, wie man seine Fressfeinde erkennen konnte. Besonders eigenartig fand Finn die dicken Fäden zwischen dem Buckel und dem Kopf. Was für ein seltsames Wesen das da doch war, dachte er. Ob Mama und Papa so etwas Eigenartiges schon einmal gesehen hatten? Leider waren sie jetzt nicht hier bei ihm. Finn blieb regungslos in seiner Höhle und beobachtete das Ding weiter genau. Keine Bewegung, keine Drehung, nichts entging ihm.
Nachdem das Wesen lange ziemlich unbeholfen an den Korallen herumgeschwommen war, kam es nach und nach in seine Richtung. Hatte es das Geschöpf etwa auf ihn abgesehen? Finn schwamm eine weitere halbe Flossenlänge rückwärts. Sicher ist sicher, dachte er sich. Von hier aus konnte er das schwarze Ding gerade noch so beobachten, zugleich aber sofort in der Höhle verschwinden, falls es ihn angreifen sollte. Er war bereit. Seine Flossen waren es auch. Das Wesen blieb zwischendurch immer wieder stehen, blickte sich lange nach allen Seiten um und ließ immer noch viele Bläschen aus seinem Kopf entweichen. Sehr eigenartig, fand Finn.
Der große Ozean war wahrlich voller wunderlicher Dinge, wie Mama immer sagte. Warum machte dieses Ding all die Sachen? Dafür musste es doch einen Grund geben. Lange dachte er darüber nach. Wurde es vielleicht von einem Fisch gejagt? Dann musste das aber ein recht großer Fisch sein. Möglich war es, überlegte er – aber nicht sehr wahrscheinlich. Denn war man auf der Flucht, dann schwamm man schnell davon, und zwar so schnell, wie es die Flossen einem erlaubten.
Langsam wurde Finn nervös. Welle für Welle kam ihm dieses seltsame schwarze Wesen mit seinen vier großen und den kleinen Tentakeln näher. Bis jetzt hatte es noch nichts gefressen. Finn hatte es nicht einen Flossenschlag lang aus den Augen gelassen. War das nur eine Falle, um ihn zu fangen und dann zu mampfen? Suchte dieses schwarze Dingsda ihn? Finn wich noch ein klein wenig zurück, konnte es dadurch aber nicht mehr sehen. Er war zu weit in die Höhle hineingeschwommen. Allerdings war er sehr neugierig auf dieses höchst eigenartige Wesen. Er wollte es unbedingt weiter beobachten.
Was war ihm jetzt wichtiger? Seine Neugier oder sein Leben? Finn dachte nach und entschied sich für die Neugier. Er war schon andere Male in Gefahr geraten und dennoch heldenhaft standhaft geblieben – trotz seines Alters. Diesmal sollte es nicht anders sein, beschloss er.
Er schwamm wieder ein klein wenig an den Rand der Höhle und stellte fest, dass das schwarze Ding schon wieder ein wenig näher an ihn herangeschwommen war. Aus der Nähe betrachtet, sah es noch viel seltsamer aus. Während die Schuppen schwarz und glatt waren, hatte der Rücken eine Farbe, die er hier im großen weiten Ozean noch nie gesehen hatte. Sie war sehr hell, und sie glänzte, vor allem, wenn das Licht von oben darauf fiel. Diese Farbe war sehr schön. Sie gefiel ihm. Und auf dem Kopf hatte das Ding unzählige feine Fäden in einer gelben Farbe, die Finn ebenfalls nicht kannte. Was für ein seltsames Wesen! Finn kam aus dem Staunen nicht heraus. War es doch eine Qualle? Eine Qualle, die er noch nie gesehen hatte, vielleicht? Möglich war’s. Er kannte schließlich nicht alle Tiere, die im Meer lebten. Nachdem es wieder lange stehengeblieben war und sich umgeschaut hatte, schwamm das eigenartige Geschöpf geradewegs auf ihn zu, blieb ein paar Wellenlängen vor der Höhle stehen – und tat – nichts.
Dennoch blieb Finn beinahe das Herz stehen. Er spannte seine Flossen an, wie noch nie in seinem ganzen Leben. Er war jederzeit bereit, in die Höhle zu fliehen und um sein Leben zu schwimmen. Aber noch nicht. Erst wollte er es aus der Nähe beobachten. Es war viel größer, als er es aus der Ferne vermutet hatte. Gefährlich sah das Wesen zwar nicht aus, aber es war wirklich unansehnlich. Da es ihm jetzt so nahe war, bemerkte Finn, dass es unterhalb der vielen gelben Fäden ein seltsames Ding am Mund hatte, das über einen dicken Faden mit dem Buckel zusammenhing. Aus diesem Ding am Mund kamen ab und an die Bläschen heraus. Warum, das wusste er nicht. Vor allem aber hatte das Wesen zwischen den gelben Fäden und dem seltsamen Mund ein furchterregendes, riesengroßes und durchsichtigen Auge. Das Größte, das Finn jemals gesehen hatte. Und dahinter hatte es sogar noch zwei weitere Augen, die sehr viel kleiner waren und die ihn ebenfalls anstarrten. Das Wesen und Finn standen sich jetzt Auge in Auge gegenüber. Wer bewegte sich zuerst? Finn war auf alles vorbereitet. Wollte es ihn fressen, dann musste es ihn jetzt angreifen. Alle von Finns Flossen, all seine Schuppen, alles in und an ihm war bereit, augenblicklich zu flüchten. Doch das Wesen glotzte ihn einfach nur an, und Finn glotzte zurück – in höchster Alarmbereitschaft. Das konnte eine geschickte Falle sein, um ihn sich zu schnappen und ihn dann genüsslich zu mampfen, überlegte Finn. Er hatte so etwas schon ein paar Mal bei den Quallen und Kraken beobachtet. Die schlugen genau dann zu, wenn man es sich am wenigsten erwartete. Doch das eigenartige Geschöpf vor ihm tat nichts. Es glotzte ihn einfach nur weiter an. Und er glotzte weiter zurück. Doch nach einiger Zeit begannen Finns Flossen, die immer noch angespannt waren, langsam zu schmerzen. Da es aber um alles ging, hielt er durch – heldenhaft, wie er fand. Nach vielen weiteren Wellen – Finn hatte irgendwann aufgehört zu zählen, es kam ihm vor wie eine Ewigkeit – drehte sich das schwarze Wesen mit dem